Gutachten Indikationsbezogene Nutzung des Heilwaldes Quetziner Tannen

Projekt: Gesundheitspotential Kur- und Heilwald
Gutachten: Indikationsbezogene Nutzung des Waldes von Plau am See (Quetziner Wald)

Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Methodik
3. Indikationskatalog
4. Abschlussbemerkungen
5. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Kur- und Heilwälder haben unterschiedliche Nutzergruppen: Während ein Kurwald aufgrund seiner Struktur und Größe vor allem für die Sekundärprävention von Erkrankungen geeignet ist, sollte ein Heilwald vor allem für die Tertiärprävention und zur Palliativtherapie bei chronischen Krankheiten genutzt werden.

Bei der Bewertung der Eignung von Indikationsgruppen für die Therapie im Kur- bzw. Heilwald sind einerseits die pathogenetischen Faktoren, insbesondere die Behinderung(en) durch die Erkrankung(en), andererseits eine postulierte Förderung der Salutogenese durch die Waldtherapie zu berücksichtigen. Die Indikationsgruppen, die für eine Therapie im Kur- oder Heilwald geeignet sein dürften, wurden pragmatisch in drei Schweregrade eingeteilt: Leichtgradig (die Patienten sind gering beeinträchtigt bzw. bei geringen Belastungen weitgehend beschwerdefrei), mittelgradig (die Patienten sind erheblich beeinträchtigt bzw. haben bei geringen Belastungen Beschwerden) und schwergradig (die Patienten sind stark beeinträchtigt bzw. sind auch in Ruhe nicht beschwerdefrei). Diese Einteilung ist nicht identisch mit Klassifikationen wie z. B. sie nach dem ICD-10-System vorgenommen wurden. Die im Gutachten getroffenen Aussagen zu den Indikationen gelten in gleicher Weise für Erwachsene und Kinder.

Die nachfolgenden Angaben zu den Faktoren, die zu einer günstigen Wirkung bei den verschiedenen Indikationen beitragen könnten, sind zwar plausibel, haben aber einen eher hypothetischen Charakter. Weltweit nimmt die Forschung in diesem Bereich aber in letzten Jahren erheblich zu. 

2. Methodik

2.1 Vorliegende Gutachten, andere Grundlagen des Gutachtens
Das vorliegende Gutachten basiert auf

  1. dem Gutachten „Kur- und Heilwald in Mecklenburg-Vorpommern: Evaluation, zusammenfassender Bericht und wissenschaftliche Expertise (1)
  2. dem Gutachten „Analyse und Evaluation von Publikationen zur Waldtherapie hinsichtlich ihrer Relevanz für die Besonderheiten des deutschen Gesundheitswesens (therapeutischer bzw. präventiver Ansatz) unter besonderer Berücksichtigung der Interessen von Mecklenburg-Vorpommern“ (2)
  3. den Waldgutachten des Landesforst Mecklenburg-Vorpommern für den Wald von Plau am See (3)
  4. dem Kriterienkatalog für die „Infrastruktur“ (Strukturen) eines Kur- und Heilwaldes (4)
  5. der Auswertung der Fragebögen zum Projekt „Heilwald“ (5)
  6. den Erfahrungen und Vorstellungen der Gutachterin

 

2.2 Faktoren, die die Auswahl der medizinischen Indikationen beeinflussen
Das Indikationsspektrum für die mögliche Nutzung als Kur- bzw. Heilwald für den Quetziner Wald wurde aufgrund folgender Kriterien festgelegt:

2.2.1 Makroklima
Das Makroklima hat eine besondere Bedeutung bei der Bewertung im Sinne eines Alleinstellungs-merkmals, denn ein gesundheitsförderndes Klima ist Grundvoraussetzung für einen Kur- oder Heilwald. Es ist eine sehr wichtige Komponente für die Behandlung von dermatologischen Erkrankungen, Erkrankungen der Atemwege, Infektanfälligkeit, psychischen Erkrankungen und multimorbiden Patienten mit diesen Erkrankungen.

Der Quetziner Wald liegt an der Grenze der Großklimabereiche Alpha und My. Der westliche, größere Teil des Quetziner Waldes gehört zum Großklimabereich Alpha, das stärker maritim beeinflusst ist und höhere durchschnittliche Jahresniederschläge ausweist. Der östliche Waldteil gehört zum Großklimabereich My. (3) Hier gibt es einen häufigen Wechsel zwischen maritimen und kontinentalen Einflüssen, die maritimen Komponenten überwiegen jedoch gegenüber den kontinentalen. Damit sind die Temperaturextreme abgeschwächt, die Jahreszeiten treten gegenüber dem kontinental beeinflussten Binnentiefland zeitlich verzögert ein. Die Windgeschwindigkeiten sind geringer als an der Küste.

2.2.2 Lokalklima
Das Makroklima wird durch die lokalklimatischen Bedingungen überlagert. Waldregionen zeichnen sich grundsätzlich durch Klimavielfalt und durch Strahlungs- und Windschutz aus. Die verschiedenen Besonnungsintensitäten bis hin zum Schatten sowie der Wechsel von Windstille und stärkerer Luftbewegung in windexponierten Lagen ermöglichen damit eine optimale Nutzung der lokalen Gegebenheiten für gesundheitsfördernde Aktivitäten.

Wärmebelastungen, die wegen ihrer schlechten Verträglichkeit von Kranken zu vermeiden sind, sind in Wäldern relativ selten. Da höhere Windstärken in Wäldern nur selten erreicht werden, sind auch stärkere Kältereize, die für ebenfalls alle schwerer Erkrankten ungünstig sind, nur auf schwach oder nicht bewaldeten Kuppen zu erwarten. Andererseits sind Kältebelastungen aber immunmodulierend im Sinne einer Abhärtung wirksam. Damit eignen sich Wälder mit ihren milden Kältereizen hervorragend dafür, sie bei besonders empfindlichen Patienten für die Initialisierung einer Abhärtungsreaktion zu nutzen. (1, 2)

Klimatische Bedingungen, speziell die Komponenten Luftfeuchtigkeit und Luftqualität sind insbesondere für Erkrankungen des Respirationstraktes bedeutsam. Im Vergleich zur näheren Umgebung sind im Wald Luftfeuchtigkeit und Luftreinheit deutlich höher, denn wegen des geringen Luftaustausches wird die Luftfeuchtigkeit nur wenig an die Umgebung abgegeben, Luftschadstoffe wie Staub und Stickstoffdioxid können nur schlecht von außen eindringen. Das Waldklima wirkt deshalb im Sinne einer allgemeinen Schonung und Entlastung. Kleine Kinder, alte Menschen und chronisch Kranke können sich an die Änderungen von Wetter und Klima wenig anpassen. Sie sind deutlich kälteempfindlicher, insbesondere tolerieren sie Wärmebelastungen nur schlecht. Kur- und Heilwälder sind für sie deshalb ideale Orte, um sich länger im Freien bei bester Luftqualität vor extremen Witterungslagen geschützt aufzuhalten. (1,2)

Der UV-B-Anteil der Sonnenstrahlung, der während des Aufenthaltes im Kur- und Heilwald von April bis September einwirkt, stärkt Muskelstoffwechsel und Herz-Kreislaufsystem ähnlich wie ein körperliches Ausdauertraining. Die Größenordnung der Effekte liegt ca. bei der Hälfte derjenigen, die aus körperlicher Arbeit resultieren. (6) Ältere Menschen profitieren allerdings wegen der verminderten Fähigkeit ihrer Haut, bei Exposition gegenüber UV-B-Licht Vitamin D zu bilden, vermutlich weniger davon.

Der Quetziner Wald befindet sich im Nahbereich des Plauer Sees, die minimale Entfernung zum See beträgt ca. 100 m. Die Luftfeuchtigkeit liegt infolge der Gewässernähe des Waldes über den typischen Messwerten für den Großklimabereich My. Insofern sind allenfalls geringfügige Wirkungsunterschiede bei den beiden Großklimazonen des Quetziner Waldes anzunehmen.

2.2.3 Geländestruktur
Ein ebenes Gelände stellt naturgemäß die geringsten Anforderungen an die Mobilitätsreserven. Je nach der Struktur des Bodenbelages der Wege und dem Geländeanstieg bzw. -abfall, z. B. bei kuppierten Geländen mit steilen Anstiegen oder Treppen, können Patienten mit Erkrankungen des Bewegungsapparates, der Atemwege, kardiovaskulären oder neurologischen Erkrankungen und insbesondere multimorbide und geriatrische Patienten mit diesem Erkrankungsspektrum rasch ihre Leistungsgrenzen erreichen. Andererseits können diese Geländestrukturen in Kombination mit dem Lokalklima auch zur körperlichen Leistungssteigerung sowohl hinsichtlich der Beweglichkeit (gymnastische Übungen) als auch hinsichtlich Ausdauer, Kraft und Koordination genutzt werden. Sie können mit Sensorik-, Atem- und Achtsamkeitsübungen kombiniert werden. (1,2) Psychologische Leistungsblockaden können infolge der Ablenkung durch eine ansprechende Umgebung, Gruppeneffekte und die Einwirkung von geschulten Therapeuten leichter umgangen werden. (1,2) Interessante Ziele wie z. B. Hünengräber, historische Plätze im Wald, Wasser in seinen verschiedenen Varianten, auffällige Baumgruppen oder schöne Aussichtspunkte sind dabei von großer Bedeutung. Ebene Geländeanteile sind aber auch für die bewusste oder unbewusste Klimaexposition in Ruhe geeignet, die in Kombination mit Entspannungsverfahren oder einfacher Körperruhe in verschiedenen Körperhaltungen, evtl. kombiniert mit Atem-, Achtsamkeits- und Sensorikübungen, erfolgen kann.

Der Quetziner Wald hat ein sanftes, flaches, gut begehbares Relief und ist gut erschlossen. Er wirkt gepflegt, hell und freundlich. Die Vegetation bietet ästhetische Reize. (3) Damit ist der Wald auch für körperlich wenig leistungsfähige Patienten gut geeignet.

2.2.4 Vegetation und Tierwelt
Die Vegetation trägt erheblich zu den gesundheitsfördernden Effekten von Wäldern bei, z. B. durch den Windschutz durch immergrüne Gewächse gerade im Winter, oder die Freisetzung von ätherischen Ölen durch Nadelhölzer (Phytonzide), besonders im Sommer. Diese Bedingungen sind insbesondere für infektanfällige oder multimorbide Patienten und Patienten mit Atemwegserkrankungen günstig. Ebenso ist der Schutz vor Lärm durch die Vegetation an den Waldrändern, aber auch im Wald selbst zu nennen, die Erlebnisse der Stille und damit einen Stressabbau ermöglicht. (1,2) Blätterrauschen wirkt ebenfalls angenehm und beruhigend, ebenso die verschiedenen Grüntöne, wie bereits in den im Vorgutachten aufgeführten Studien gezeigt wurde. (2) Von Patienten wurde sehr oft der Wunsch nach einem naturbelassenen Wald geäußert. (5) Darunter verstehen sie prinzipiell einen gepflegten, aber nicht sichtbar aufgeräumten oder gar „getrimmten“ Wald. So werden z. B. größere Mengen von auf dem Waldboden liegendem Totholz oder auch Grün- und andere Abfälle als störend empfunden. Die Wege müssen regelmäßig gepflegt werden.

Zu den pathogenen Faktoren von Wäldern gehören im Frühjahr Pollen von Erlen, Birken und Haselnusssträuchern, aber auch von Nadelhölzern, zudem befinden sich ganzjährig Schimmelpilzsporen in der Luft. Diese Aeroallergene können sich ungünstig bei Erkrankungen wie Asthma bronchiale oder Neurodermitis auswirken. (1,2) Patienten mit diesen Allergien müssen auf eine mögliche Verschlechterung ihrer Symptome beim Aufenthalt in Wäldern mit derartigem Baumbestand hingewiesen werden. Haselnusssträucher, Erlen und Birken sollten wegen des Allergiepotenzials durch die Pollen in Heil- und Kurwäldern nicht gezielt neu angepflanzt werden, entsprechende Altgehölze sollten nach Möglichkeit entfernt und durch besser geeignete Baumarten ersetzt werden. Bei Waldlichtungen ist wegen der geringeren Belastung mit allergenen Pollen die Bildung von Magerrasen zu fördern. Heilkräuter sollten nicht speziell angesiedelt werden, bei natürlichem Vorkommen können sie für das Sensoriktraining genutzt werden. Es muss allerdings eine Belastung mit dem Fuchsbandwurm und die Anwendung von Pestiziden und anderen schädlichen Stoffen ausgeschlossen sein.

Da Heil- und Kurwälder auch von kranken Kindern aufgesucht werden, sollte auf die Neupflanzung giftiger Neophyten verzichtet werden. Neophyten wie das Jakobskreuzkraut oder die Herkulesstaude sollten systematisch eliminiert werden, auch heimische Giftpflanzen sollten nicht überhand nehmen.

Sehr viele Patienten wünschen sich Vogelgesang und –beobachtung, dies wird als besonders entspannend empfunden. (5) Durch Nistkästen könnte die Vogelpopulation angehoben werden. Da die Wege von Kur- und Heilwäldern nicht verlassen werden sollen, auch, um Stürze auf dem unwegsamen Geländeanteil zu vermeiden, finden die Vögel abseits der Wege Ruhezonen und gegebenenfalls Nahrung. Eine hohe Belastung durch Stechmücken und andere stechende bzw. blutsaugende Insekten ist jedoch nicht wünschenswert, da die Stiche bei älteren oder immungeschwächten Patienten oft sehr lange nicht abheilen oder sich sogar infizieren können. Zudem wird eine Entspannung dadurch stark erschwert. Auch eine hohe Belastung mit Zecken ist unerwünscht, viele Menschen meiden deswegen inzwischen die heimischen Wälder. Dies ist insbesondere bei der Anlage eines Heilwaldes zu beachten.

Der Quetziner Wald weist auf rd. 96% der Fläche mittelalte bis alte Kiefernbestände und zudem einige Eichen auf. Darunter befinden sich viele Flächen mit künstlicher und natürlicher Verjüngung. Der Baumbestand soll langfristig in standortgerechte, gemischte Buchen-Nadelholzbestockungen überführt werden. Östlich des Nordic-Walking-Pfades gibt es einen Waldanteil, der hauptsächlich aus Birken mit einzelnen Stieleichen und Rotbuchen besteht und einen teilweise recht dichten Unterstand aufweist. (3) Damit ist die Waldluft des westlichen Teils insbesondere im Sommer reich an Phytonziden. Die Allergenbelastung ist in diesem Waldteil bis auf eine kurze Phase im Frühjahr sehr gering. Die Belastung durch blutsaugende und stechende Insekten ist gering.

2.2.5 Publikumsverkehr
Da Wälder vor Lärm schützen und irritierende visuelle Reize fehlen, wirken sie beruhigend und entspannend. Ein hohes Publikumsaufkommen in Heil- oder Kurwäldern ist wegen der starken konkurrierenden Nutzung der Wege und der damit verbundenen Unruhe ungünstig und führt zudem zu erhöhtem Pflegeaufwand für die Wege. Insbesondere bei Patienten mit psychischen Erkrankungen, sensorischen Einschränkungen oder Multimorbidität können sich die günstigen psychischen und allgemein regenerierenden Effekte des Waldes dann nicht auswirken. Auch ein Sensoriktraining, z. B. durch einen Barfusspfad oder einen Klangwald wird durch hohen Publikumsverkehr stark erschwert. Achtsamkeits- oder Entspannungsübungen, die nach bisherigen Untersuchungen die günstige Wirkung des Waldklimas verstärken sollen (1,2), können nicht adäquat durchgeführt werden.

Patienten mit schweren orthopädischen, kardiopulmonalen und neurologischen Erkrankungen sind infolge ihrer Bewegungseinschränkungen bzw. langsameren Reaktionen bei hohem Publikumsaufkommen benachteiligt, sensorisch eingeschränkte Personen können nicht rasch adäquat reagieren. Es sollten deshalb Möglichkeiten zur Steuerung des Publikumsverkehrs entwickelt werden, um den genannten Patientengruppen eine adäquate Therapie im Kurwald und insbesondere im Heilwald zu ermöglichen. Heil- und Kurwälder sollten als privilegierte Räume für Kranke betrachtet werden und für die Öffentlichkeit auch entsprechend ausgewiesen werden. Es ist vorstellbar, dass sie dann von Gesunden aus Rücksichtnahme seltener aufgesucht werden.

Der Quetziner Wald wird seit Jahren für Spaziergänge und als Walkingstrecke von Einheimischen und Touristen sowie vom unmittelbar angrenzenden MediClin Reha-Centrum für therapeutische Maßnahmen genutzt. Er wird von einer öffentlichen Asphaltstraße in einen Nord- und einen Südteil getrennt. Der nördliche Randbereich des Quetziner Waldes dient auch als Lärmschutz für die dahinterliegende Ferienhaussiedlung. (3) Die beiden Waldteile sind damit nicht sonderlich ruhig.

2.2.6 Grad der vorhandenen Infrastruktur (Entwicklungsgrad)
In Kur- und Heilwäldern sind infolge der durchzuführenden Therapien bestimmte Infrastrukturen erforderlich. Diese wurden bereits in einem Gutachten dargestellt (4) und sollen hier nur noch ergänzend aufgeführt werden.

In jedem Heilwald sollte wenigstens ein kurzer Weg hinsichtlich seiner Oberfläche so beschaffen sein, dass sich auch mobil oder visuell stark behinderte Menschen einschließlich der Rollstuhlfahrer den günstigen Wirkungen der Umgebung hingeben können, ohne ständig auf den Weg achten zu müssen. Unabdingbar ist auch eine Wegbreite, auf der wenigstens zwei Personen nebeneinander bequem Platz finden.

Eine Klimaexpositionstherapie erfordert Infrastrukturen im Kurwald, aber insbesondere im Heilwald. Einfache, aber anatomisch korrekte Sitz- und evtl. Liegemöglichkeiten mit oder ohne Windschutz für die Körperruhe sind notwendig. Ein Pavillon erlaubt die Nutzung des Waldklimas auch bei schlechten Witterungsbedingungen. Davon profitieren insbesondere Patienten, die hinsichtlich ihrer Mobilität infolge neurologischer, ophthalmologischer und kardiopulmonaler Erkrankungen oder Erkrankungen des Bewegungsapparates stark eingeschränkt sind, sowie multimorbide und geriatrische Patienten. Die Zuwegung zu einem derartigen Pavillon muss kurz und behinderten-/rollstuhlgerecht sein und im Winter geräumt werden, die Erreichbarkeit des Pavillons mit einem Transportfahrzeug z. B. bei medizinischen Notfällen sollte gewährleistet sein. Toiletten im oder am Pavillon und Schließfächer müssen vorhanden sein.

Gerade für hinsichtlich ihrer Mobilität bzw. körperlichen oder psychischen Leistungsfähigkeit stärker eingeschränkte Patienten ist es bisher kaum möglich, einen Wald zu betreten bzw. sich darin für längere Zeit aufzuhalten. Diese Patienten haben ein erhöhtes Bedürfnis nach Sicherheit und Betreuung, dem Rechnung getragen werden muss. Ein derartiges Angebot kann aber für einen Ort als Alleinstellungsmerkmal positioniert werden und sollte wegen der positiven Konnotation von Wäldern in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz finden.

Der Quetziner Wald ist an sehr gut ausgebaute Radwege angeschlossen. Er wird intensiv durch Erholungssuchende und Klinikpatienten frequentiert und ist durch einen angenehm zu begehenden Nordic-Walking- und Naturlehrpfad touristisch ausreichend erschlossen. Er führt als Rundkurs über 3,5 km größtenteils durch den Quetziner Wald. Er verläuft vom MediClin Reha-Zentrum über die Straße direkt in den Wald, folgt im südlichen Bereich dem Naturlehrpfad, führt über den Steindamm hinweg und durchquert die nördliche Waldfläche. Schließlich kommt er an der August-Bebel-Straße an und führt in südliche Richtung der Straße folgend zum Ausgangspunkt zurück. In der nördlichen Waldfläche kann er durch LKWs befahren werden. Diverse Sitzmöglichkeiten sind vorhanden, im Bereich des Waldrandes ist ein interessanter Blick auf die Stadt Plau am See möglich. Durch die direkte Nähe des Wegs zum MediClin Reha-Zentrum erscheint er sehr gut geeignet für Therapiezwecke, aber auch für Maßnahmen der Rehabilitation und der Gesundheitsvorsorge. Im Forstgutachten wird auf die Möglichkeit der Neuanlage einer Schutzhütte hingewiesen, wofür ein zentraler Platz vorhanden ist. Die Gestaltung müsste sich nach waldgesetzlichen Bestimmungen richten und kann medizinisch-therapeutische Aspekte mit berücksichtigen. (3)

2.2.7 Weitere für die Bewertung wichtige Informationen aus den vorliegenden Gutachten und Analysen
Die Entscheidungen für die verschiedenen Indikationsgruppen bzw. deren Schweregrade basieren zudem auf den medizinischen Indikationen, die bereits in Kliniken der Stadt Plau am See behandelt werden, sowie verschiedenen Details aus den erwähnten Gutachten und Analysen. (1-5)

In der Stadt Plau am See gibt es zwei Rehabilitationskliniken. Das MediClin Reha-Zentrum Plau am See führt Rehabilitationsbehandlungen bei Patienten mit neurologischen und orthopädisch-rheumatologischen Erkrankungen durch. Es ist als Einrichtung für neurologische Frührehabilitation Phase C und als Sekundärzentrum für Querschnittslähmungen anerkannt. Dort befindet sich auch das Aphasiker-Zentrum Mecklenburg-Vorpommern, das Patienten mit Sprachstörungen infolge einer hirnorganischen Erkrankung berät. Es ist nur durch die Quetziner Straße vom Wald getrennt. Die KMG Klinik Silbermühle GmbH befindet sich in der Stadt Plau am See südlich des Plauer Stadtwaldes und ist eine Klinik für Rehabilitation und Anschlussheilbehandlung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und onkologische Indikationen.

 

3. Indikationskatalog

Bei der Angabe der Indikationsgruppen für das zu begutachtende Waldstück wurde die Maximalvariante der möglichen Indikationen aufgeführt. Nicht genannte kleinere Indikationsgruppen wie z. B. die gastrointestinalen Erkrankungen oder chronischen Infektionen sind nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie können im Bedarfsfall ebenfalls gutachterlich bewertet werden. Patienten mit leichtgradigen Erkrankungen können im Kur- und Heilwald stets behandelt werden, sie können aber zumeist auch einen Erholungswald nutzen. Es ist auch möglich, auf bestimmte Indikationsgruppen und/oder Schweregrade zu verzichten bzw. besondere Indikationsschwerpunkte zu setzen, wodurch eine geringere Nutzerfrequenz bei geschärftem Indikationsprofil erreicht wird. Aus der Sicht der Gutachterin sollten Heilwälder vor allem durch Patienten mit mittel- bis schwergradigen Erkrankungen, insbesondere solchen, die die Mobilität und/oder die Sensorik stark beeinträchtigen, genutzt werden, da sie ansonsten kaum noch Gelegenheit haben, sich in einem Wald aufzuhalten. Das betreffende Areal kann deshalb klein sein, die Infrastruktur muss aber indikationsbezogen sein, und es muss auch mit Transportfahrzeugen erreichbar sein.

Der südwestliche Teil des Quetziner Waldes könnte partiell als Heilwald ausgewiesen werden und eignet sich aufgrund der ganz überwiegend ebenen Geländestruktur für Patienten mit:

  • leicht- bis schwergradigen orthopädischen/rheumatologischen Erkrankungen
  • leicht- bis schwergradigen pulmonalen Erkrankungen
  • leicht- bis schwergradigen neurologischen Erkrankungen
  • leicht- bis schwergradigen Herz-Kreislauferkrankungen
  • leicht- bis mittelgradigen psychischen Erkrankungen
  • leicht- bis mittelgradigen psychosomatischen Erkrankungen
  • leicht- bis schwergradigen onkologischen Erkrankungen und für
  • multimorbide (leichter bis mittlerer Schweregrad) und (eingeschränkt) geriatrische Patienten

Limitierend für schwerer kranke Patienten ist die relativ lange Zuwegung zum Waldgebiet. Der hohe Publikumsverkehr kann sich bei Entspannungsübungen störend auswirken.

Der gesamte Quetziner Wald eignet sich aufgrund des ebenen Geländes, seines Lokalklimas, seiner Vegetation und seiner Ortsnähe für Patienten mit

  • leicht- bis mittelgradigen orthopädischen/rheumatologischen Erkrankungen
  • leicht- bis mittelgradigen neurologischen Erkrankungen
  • leicht- bis mittelgradigen Herz-Kreislauferkrankungen
  • leicht- bis mittelgradigen Erkrankungen der Atemwege
  • leicht- bis schwergradigen dermatologische Erkrankungen
  • leicht- bis mittelgradigen psychischen und psychosomatischen Erkrankungen
  • leicht- bis mittelgradigen onkologischen Erkrankungen und für
  • multimorbide (leichter Schweregrad, voranstehendes Erkrankungsspektrum) Patienten.

Die von vielen Patienten besonders gewünschten Komponenten lichter Wald und abwechslungsreiche Vegetation sind vorhanden. Der Wald eignet sich sehr gut für ein Sensoriktraining, er weist geeignete Wege für ein Mobilitätstraining und ein Herzkreislauftraining auf. Ein lichterer Bereich sollte für gymnastische und Entspannungsübungen ausgewiesen werden. Der Wald kann zu einem Kurwald entwickelt werden.

4. Abschlussbemerkungen

Das angegebene ortspezifische Indikationsspektrum wurde unter besonderer Berücksichtigung der klimatischen und strukturellen Besonderheiten entwickelt und wegen geringen Spezifität der Waldtherapie bewusst breit gehalten. Besondere Merkmale und lokale Stärken sollten bei der Entwicklung des Waldes kreativ eingebunden werden. Die erforderlichen Maßnahmen der Infrastruktur sollten den angestrebten Indikationsgruppen genau angepasst werden, um Mehrkosten zu vermeiden.

 

Prof. Dr. Karin Kraft
Lehrstuhl für Naturheilkunde, Universitätsmedizin Rostock                                                                                                                                      

 

5. Literaturverzeichnis

  1. Schuh A, Immich G: Kur- und Heilwald in Mecklenburg-Vorpommern: Evaluation, zusammenfassender Bericht und wissenschaftliche Expertise, 2013 (verfügbar beim Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern)
  2. Kraft K: Analyse und Evaluation von Publikationen zur Waldtherapie hinsichtlich ihrer Relevanz für die Besonderheiten des deutschen Gesundheitswesens (therapeutischer bzw. präventiver Ansatz) unter besonderer Berücksichtigung der Interessen von Mecklenburg-Vorpommern, 2013 (verfügbar beim Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern)
  3. Landesforst Mecklenburg-Vorpommern: Kur-/Heilwald Plau, Waldgutachten, 2016
  4. Schuh, A, Immich G. Kriterienkatalog für die „Infrastruktur“ (Strukturen) eines Kur- und Heilwaldes, 2013 (verfügbar beim Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern)
  5. Kraft, K. Auswertung der Fragebögen zum Projekt „Heilwald“, 2013 (verfügbar beim Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern)
  6. Schuh A, W. Kneist, W, Schmitt, H.J.: Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit von durchschnittlich trainierten Personen durch natürliche Sonnenstrahlung (Heliotherapie). Phys. Rehab. Kur Med. 3 (1993) 95-99